Angenehm überrascht waren viele Esperantosprecher im Vorfeld der Europa-Wahlen, als bekannt wurde, dass die Partei des Fortschritts (PdF) einiges zu Esperanto in ihr Europa Wahlprogramm aufgenommen hat — in einem eigenen Abschnitt „Eine gemeinsame Sprache für die EU“ im Kapitel „Reform der EU und Rechtsstaatlichkeit“.
Die PdF ist eine kleine Partei, die 2020 gegründet wurde; sie hat bei der Europawahl in Deutschland 0,6 % erreicht und damit einen Abgeordneten im Europa-Parlament, Lukas Sieper. Im Wahlprogramm wird erinnert, dass die EU 24 offizielle Sprachen für ihre juristisch relevanten Beschlüsse nutzt. „Es soll eine Debatte geführt werden, ob eine einheitliche Amtssprache für die Kommission sinnvoll ist.“ Man könnte in der EU die Idee einer gemeinsamen Sprache vorantreiben. „Dies könnte eine existente oder für alle leicht zu erlernende Plansprache wie Esperanto sein. Die Einführungszeit würde […] allerdings Jahrzehnte betragen, um .ltere nicht zu benachteiligen.“ Das Wahlprogramm führt aus, dass man eine einheitliche Sprache braucht, damit sich die Menschen mit Europa besser identifizieren können — nach einer einheitlichen Währung, gemeinsamen Grenzen und gemeinsamem Militär. „In 50+ Jahren, werden Menschen in Europa, die eine gemeinsame Sprache sprechen, näher zusammenrücken.“ (Als Esperantosprecher ist man geneigt hier anzufügen, dass wir uns heute schon international und in Europa verbunden fühlen und dass das Lernen auch recht flott gehen kann, jedenfalls in ein paar Jahren. Mehr als etwa 50 bis 100 Stunden Esperanto-Unterricht braucht jedenfalls in Deutschland kaum jemand.) Anschließend wird im Wahlprogramm Esperanto vorgestellt als gemeinsame zweite Sprachen von Menschen in über 120 Ländern weltweit. Es wird erwähnt, dass Esperanto schnell erlernbar ist und dass es neutraler ist als andere Sprachen. Um ein wenig über die Hintergründe zu erfahren, habe ich per Video mit Fosi Audi gesprochen, Pressesprecher der Partei. Er hat selbst das Thema in die Versammlung zum Entwurf des Parteiprogramms eingebracht. Ihm geht es bei dem Gedanken einer gemeinsamen Sprache der EU vor allem um das Zusammenwachsen von Europa. Dazu braucht man eine gemeinsame Sprache — Übersetzung oder Dolmetschen per Künstlicher Intelligenz ist dafür nach seinem Eindruck nicht ausreichend. Wenn wir als Europäer mit einer Stimme reden wollen auf der Welt, dann sollten wir auch eine gemeinsame Sprache haben — so wie die anderen Weltregionen und politischen Blöcke. Gefragt habe ich auch nach kleineren Sprachen und Minderheitensprachen; dazu hat die PdF bisher noch keine Position erarbeitet. Allerdings steht schon im Grundsatzprogramm der Partei, dass der Staat dafür zu sorgen hat, dass sich „die kulturelle Energie aller Menschen frei entfalten kann, sodass sie ihre Kultur pflegen und weiterentwickeln können“. Das Grundsatzprogramm beginnt mit den Sätzen: „Alle Menschen sind frei und gleich geschaffen und alle haben das Recht auf die individuelle Verwirklichung des persönlichen Glücks. Alle Menschen können ihre Philosophie, ihre Weltanschauung oder ihren Glauben frei wählen und ihr Leben danach richten. Die Freiheit der Einzelnen ist nur begrenzt durch die Freiheit der anderen.“ Insofern, so die Antwort von Fosi Audi auf meine dies bezügliche Frage, ergibt sich aus den Grundsätzen der Partei, dass kleinere Sprachen und Minderheitssprachen sowie ihr Gebrauch zu schützen sind.