
Die noch recht neu im Amt befindliche „Ampel“-Koalition ist in nahezu allen Politikgebieten durchaus in der Lage, lange verschleppte Reformen endlich auf den Weg zu bringen. Denn sie verbindet im Gegensatz zu vorherigen Bündnissen verschiedene Flügel und Ideologien miteinander, die somit ein Handeln nicht nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner möglich machen, sondern tatsächlich weitreichende Transformationen anstoßen können.
Dies gilt auch für den Bereich der Digitalisierung und des Datenschutzes: Mit dem Anteil der FDP als einer Verteidigerin der Freiheits- und Persönlichkeitsrechte einerseits, dem Anspruch der „Grünen“ zum Schutz der Bürgerrechte und der vermittelnden Position der SPD mit dem Wunsch nach einem angemessenen Spielraum des Staates zur Aufrechterhaltung von innerer Sicherheit und Reglementierung andererseits, sind zwar die Vorzeichen für schwierige Verhandlungen schon jetzt durchaus gesetzt. Allen beteiligten Parteien ist allerdings der Wert sensibler Daten von deutlich größerem Ansinnen als der bisher an der „Großen Koalition“ mitwirkenden CDU/CSU.
Zweifelsohne hat man im Koalitionsvertrag recht, wenn beispielsweise die DSGVO als ein wesentliches Rüstzeug und als Rahmen für künftige Einzelgesetze angesehen wird. Gleichermaßen hat sich das Regelwerk auch Jahre nach seinem Inkrafttreten noch an vielen Stellen als wenig praxisnah herausgestellt. Die Diskussion darüber, wie größtmögliches Abschirmen von persönlichen Daten als grundgesetzlicher Auftrag mit dem Wunsch, das Leben durch Erfassung, Speicherung und den Austausch solcher Persönlichkeitsmerkmale einfacher gestalten zu wollen, erfordert insofern Feingefühl und muss abgewogen stattfinden.
Denn die Offenherzigkeit der Menschen, mit ihren ureigenen Angaben immer öfter hausieren zu gehen und sie in sozialen Netzwerken einer breiten Öffentlichkeit unbedacht zur Verfügung zu stellen, ist tendenziell schon wieder rückläufig. Stattdessen haben die verschiedensten Skandale um die Zweckentfremdung von Daten durch Internetgiganten zu einem gesellschaftlichen Umdenken und einer neuen Selbstkritik in der Haltung der Bevölkerung gegenüber den eigenen Ansprüchen beigetragen. Zweifelsohne: Datenschutz muss an den geeigneten Stellen Hürden aufstellen, um in einer modernen Welt aus Datenfluten die missbräuchliche Nutzung sensibler Informationen auf ein vertretbares Maß zu reduzieren.
Gleichsam dürfen Datenschutzgesetze gerade in heiklen und non-profitablen Bereichen nicht zu einer derart ausgeuferten Bürokratie führen, dass wirksames Arbeiten mit notwendigen Daten verunmöglicht wird. Und so sind Forderungen von Vereinen und gemeinnützigen Organisationen nach Entlastungen im Datenschutz nachvollziehbar. Unmissverständlich zurückgewiesen werden müssen dagegen Überlegungen auf europäischer Ebene, die Erfassung von biometrischen Komponenten weiter zu forcieren und deren Sammlung in Datenschutzbanken sogar zu zentralisieren.
Ohnehin: In der Strafverfolgung und unter dem Vorwand der inneren Sicherheit darf es nicht zu weiteren Beschneidungen der persönlichen Integrität kommen. Im Zweifel muss das Verfassungsgericht dort auch künftig Grenzlinien ziehen, denn die Datensammelwut kann sogar auf die Meinung der Parteien übergreifen, die bislang als Bollwerk im Schutz vor dem gläsernen Bürger galten. Letztendlich hoffe ich, dass es sich die neue Koalition mit manch exekutiver Entscheidung, bei der es um die Daten von uns allen geht, deutlich schwerer tut als die „Durchwink“-Koalition aus Union und SPD der Vergangenheit, die viele Brüsseler Vorgaben unkommentiert passieren ließ.
Dass Digitalisierung hilfreich sein kann, beweist die Lehre aus der aktuellen Corona-Pandemie deutlich: Wir hätten uns an vielen Stellen leichter getan und sicher manches Leben retten können, wenn Deutschland bereits stärker vernetzt gewesen wäre. Doch auch bei dieser Forderung darf es – wie bei jeder politischen Intervention – keine einfachen Antworten geben: Solange Datenverarbeitung im Verhältnis steht und überdies einer Mehrheit der Menschen zum unmittelbaren Nutzen ist, kann sie ein Segen sein. Gleichermaßen wird sie zum Fluch, wenn nicht mehr das Nötige zu ihrer Regulierung getan, sondern die Gier nach Machbarem selbstredend überwiegt.
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Autor: Dennis Riehle (Kontakt: dennis.riehle@partei-des-fortschritts.de)