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Bürgergeld: Chance zum Systemwechsel nutzen!

Hartz IV

Viele Beobachter sehen im neuen „Bürgergeld“, das die „Ampel“-Regierung einführen möchte, eine deutliche Abkehr von „Hartz IV“. Ich kann diesen Optimismus allerdings nicht teilen. Denn die Formulierungen im Koalitionsvertrag mögen zwar eine Wegwendung von den Sanktionen erkennen lassen. Diese waren nach dem Gerichtsurteil des Bundesverfassungsgerichts aber ohnehin schon beschränkt worden.

Ich habe in meiner Arbeit als Psychosozialer Berater zudem den Eindruck gewonnen, dass es nicht diese Kürzungen sind, mit denen die meisten Bezieher des Arbeitslosengeldes II vorrangig hadern. Viel eher sind es die kaum realistischen und stets viel zu verzögert angepassten Regelsätze, mit denen ein Individuum kein vernünftiges soziokulturelles Dasein fristen kann – welches aber die Verfassung vorsieht und das auch mit der umdefinierten Sozialleistung der künftigen Koalition nicht erreicht werden wird.

Gleichsam war die fehlende individuelle Förderung bisher ein Manko – und scheint es ebenfalls zu bleiben. Der Irrglaube, die große Mehrheit der arbeitssuchenden Bevölkerung müsse eher gefordert statt gefördert werden, scheint insbesondere durch die „Freien Demokraten“ in der kommenden Koalition beständig aufrechterhalten worden sein. Dabei habe ich erlebt, wonach es in den überwiegenden Fällen ein Bedürfnis der Leistungsempfänger ist, endlich wieder Arbeit zu haben.

Kaum jemand von ihnen sitzt gerne den ganzen Tag fernsehguckend auf der Couch. Arbeit ist Ablenkung, Sinn und Erfüllung – weshalb es wichtig gewesen wäre, von Endlosschleifen an Rhetorikseminaren, Qualifikationen à la Grundschul-Rechenaufgaben und dem Zwang zu erwartbar ergebnislosen Initiativbewerbungen abzurücken. Wertschätzung gegenüber Menschen bedeutet einerseits, ihnen einen der Inflation und den tatsächlichen Lebenshaltungskosten angemessenen Geldbetrag zu gewähren – und das bedingungslos, nicht als Anreiz.

Andererseits heißt es aber auch, sie nicht länger als Nummern zu behandeln, die vom „Jobcenter“ schematisch abgearbeitet und Beschäftigungstherapien zugeführt werden. Im Kern hat man sich von den Schröder’schen Reformen auch bei Rot-Grün-Gelb nicht verabschiedet, weil man es verpasst hat, Arbeitslosen wieder eine Würde zu geben.

Wenngleich aktuell ein Moratorium errichtet wurde, um die Sanktionierungen bis zum Jahresende auszusetzen, fehlt es weiterhin an einer innovativen Idee, wie man gerade Motivation bei den Betroffenen schafft. In diesem Sinne muss eine Abkehr von „Hartz IV“ nicht nur die Abschaffung von Ordnungsmaßnahmen mit sich bringen, sondern vor allem auch individuelle und niveauvolle Berufsförderung und Weiterqualifikation, ein stärkerer Einsatz der Ämter und Behörden zum Angebot und Vermittlung von dem Können und der Erfahrung des Einzelnen adäquaten und qualitätsvollen Stellenangeboten, einer intensiven Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und Fortbildungen und Seminare mit einem stilvollen Mehrwert, der die Chancen am Arbeitsmarkt auch tatsächlich erhöht.

Bildquelle: pixabay.com/…/hartz-4-armut-miniaturfiguren-4019810

Autor: Dennis Riehle (Kontakt: [email protected])

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